Was ist ED? – Ellbogengelenksdysplasie (ED) beim Hund

Einleitung
Erkrankungen des Ellbogengelenks werden in den letzten Jahren immer häufiger als Lahmheitsursache im Bereich der Vordergliedmaße bei Hunden besonders mittelgroßer und großwüchsiger Rassen diagnostiziert.

Allen voran stehen die unter dem Oberbegriff „Ellbogengelenksdysplasie – ED“ zusammengefassten Veränderungen, zu denen im engeren Sinne der isolierte Processus anconaeus (IPA), der fragmentierte Processus coronoideus medialis der Elle (FPC), die Osteochondrosis dissecans der inneren Gelenkwalze des Oberarms (OCD), Stufenbildung zwischen Speiche (Radius) und Elle (Ulna) sowie Fehlbildungen der Gelenkflächen (Inkongruenzen) zählen. Die beiden letztgenannten können entweder allein oder auch zusammen mit einem IPA, FPC oder einer OCD vorliegen. Auch das gemeinsame Vorliegen eines FPC mit einer OCD oder mit einem IPA in einem Gelenk wird beobachtet. Im weiteren Sinne kann eine umschriebene Verkalkung (Metaplasie) in den am inneren Bandhöcker der Gelenkrolle des Oberarms ansetzenden Beugesehnen und eine unvollständige Verknöcherung (inkomplette Ossifikation) der Gelenkwalze des Oberarms (IOCH) zur ED gerechnet werden.

Als Folge der Veränderungen entstehen Arthrosen (bleibende Gelenksveränderungen) mit Schmerzen und unterschiedlich stark ausgeprägte chronische Lahmheiten.

All diesen Erkrankungen ist gemein, dass sie während des Wachstums entstehen, und neben Fütterungs- und Bewegungseinflüssen bei bestimmten Rassen eine genetische Disposition zugrunde liegt. Um die genetischen Einflüsse der Ellbogengelenkserkrankungen zu bearbeiten und die Zusammenarbeit und Forschung weltweit zu koordinieren,  wurde im April 1989 die „International Elbow Working Group“ (IEWG) in Davis/Kalifornien gegründet.

Entwicklung und Anatomie des Ellbogengelenks

Wie bei allen Knochen der Gliedmaßen, entwickelt sich das Ellbogengelenk aus mehreren knorpeligen Vorstufen oder Kernen, die sich im Laufe des Wachstums zu Knochen umbilden, miteinander verwachsen und so den endgültigen Knochen bilden. Das Wachstum des Knochens findet besonders in den knorpeligen Wachstumsfugen, den Epiphysenfugen statt und im Bereich der Übergänge von Knochen zu Knorpel. An den Gelenkflächen ist der Knochen mit Knorpel bedeckt. Das Gelenk wird von einer Gelenkkapsel umschlossen, welche die für den reibungslosen Bewegungsablauf erforderliche Gelenkflüssigkeit (Synovia) bildet.

Das Ellbogengelenk wird von insgesamt drei verschiedenen Knochenteilen gebildet und funktioniert als sogenanntes Scharniergelenk. Die obere Gelenkfläche wird von der Gelenkwalze des Oberarmknochens gebildet und die gegenüberliegende von der Elle (Ulna) und der Speiche (Radius).

Der obere Anteil der Ulna formt den hinteren Teil des Gelenks und besitzt eine halbmondförmige Aussparung, die die Gelenkwalze des Oberarms aufnimmt. Im oberen Bereich dieser Gelenkfläche befindet sich der Processus anconaeus als zapfenförmiger Fortsatz der Ulna, der bei Streckung des Gelenks in eine Aussparung über der Oberarmgelenkwalze hineinragt und das Gelenk dabei stabilisiert. Im unteren Bereich der Gelenkfläche der Ulna befinden sich die beiden Kronenfortsätze, die den Radiuskopf umgreifen und auf einer Höhe mit der Radiusgelenkfläche abschließen. Der außen gelegene kleinere Kronenfortsatz wird als Processus coronoideus lateralis bezeichnet und der innen liegende, größere Kronenfortsatz als Processus coronoideus medialis. Der Hauptteil des Körpergewichts (ca. 80%) wird vom Oberarm auf den Radius übertragen und die Ulna übernimmt die restlichen 20% des Körpergewichtsanteils, wobei der Processus coronoideus medialis den größten Anteil hat.

Entstehung der ED

Der IPA, der FPC und die OCD treten bei Hunden im Alter von vier bis fünf Monaten während des stärksten Wachstumsschubes auf. Männliche Hunde sind häufiger betroffen, da sie in der Regel schneller wachsen als weibliche Tiere.

Die Erkrankungen werden dem Komplex der Osteochondrose zugerechnet. Als auslösender Mechanismus für die Entstehung der Osteochondrose wird eine Reifungsstörung des Knochens (Störung der enchondralen Ossifikation) verantwortlich gemacht, wobei sowohl der Knorpel der Wachstumsfugen (beim IPA) als auch der Gelenkknorpel (beim FPC und der OCD) betroffen sein kann. Die gelenkbildenden Knochen wachsen ungleichmäßig und es kann zur Überlastung besonders exponierter Bereiche im Gelenk kommen, mit der Folge einer Schädigung oder Ablösung von Knorpel- oder Knochenteilen.

Für den Processus anconaeus existiert bei großwüchsigen Hunden ein eigener Verknöcherungskern, der sich zwischen der 10. bis 14. Lebenswoche entwickelt. Die Fusion mit der Ulna erfolgt in Abhängigkeit von der Rasse zwischen der 13. und 20. Lebenswoche. Bei kleinen Hunden verläuft die Verknöcherung dagegen in der Regel von der Basis zur Spitze des Processus anconaeus. Liegt eine Störung der Verknöcherung dieser Wachstumsfuge vor, kann der Verknöcherungskern des Processus anconaeus nicht mit der Ulna verwachsen und die Fuge kann durch andauernde Belastung zerstört werden. So kommt es zur Loslösung des Processus anconaeus mit daraus resultierenden freien Gelenkkörper (Corpus librum) und Arthrosebildung.

Für den Processus coronoideus medialis der Ulna hingegen wurde bisher noch kein eigener Verknöcherungskern nachgewiesen, sondern es wird angenommen, daß die Verknöcherung von der Basis zur Spitze hin stattfindet, die mit der 20. bis 22. Woche abschließt. In dieser Zeit ist der mediale Kronenfortsatz besonders empfindlich gegenüber einer Überbelastung. Zur Überlastung kann es auch in Folge einer Stufenbildung im Gelenk kommen, nämlich dann, wenn die Ulna etwas länger ist als der Radius. Dadurch sind die Gelenkflächen dieser beiden Knochen nicht mehr auf einem Niveau und auf dem Processus coronoideus medialis der Ulna lastet vermehrt Gewicht, so dass er abbrechen kann. Gleiches kann auch passieren, wenn die Aussparung der Ulna, die die Oberarmgelenkwalze aufnimmt zu klein oder zu eng ausgebildet ist. Dadurch wird die Gelenkwalze nach vorne verlagert und es kann ebenfalls zu einer Überbelastung im Bereich des Processus coronoideus medialis der Ulna, aber auch des Processus anconaeus kommen.

Bei der OCD liegt eine lokale Spaltbildung bzw. Abtrennung des Gelenkknorpels vom darunterliegenden Knochen infolge einer gestörten Zelldifferenzierung im Gelenkknorpel vor. Betroffen ist immer der mediale (innere) Abschnitt der Oberarmgelenkwalze. Durch mechanische Beanspruchung entstehen Risse am Übergang zum gesunden Knorpel und es kann zur teilweisen oder vollständigen Ablösung der Knorpelschuppe kommen. Als Folge einer vollständigen Ablösung entsteht ein freier Gelenkkörper.