Wie man Richter wird
Zu den am meisten gestellten Fragen in der Hundewelt gehört, wie man eigentlich Richter werden kann. Von Land zu Land gibt es hier geradezu drastische Unterschiede. Aber unabhängig von der Nationalität wäre es sicherlich für jeden undenkbar, an das Richten von Hunden zu denken, ehe er oder sie sich das Wissen über die ausgewählte Rasse erworben hat, ebenso Kenntnisse über alle Kontrollen und Formalien im Ausstellungsring. Ehe man überhaupt etwas unternimmt, kann man zunächst als Ringsteward eines erfahrenen Richters vorzügliche praktische Erfahrung gewinnen. Dabei lernt man richtiges Verhalten im Ring, Erledigung der notwendigen Schreibarbeiten, etwa Führen des Richterbuches und des Berichts des Ringstewards. Der Kandidat lernt dabei auch mit einer bestimmten Autorität im Ringzentrum aufzutreten. In England kann man sich nicht selbst als Richter bewerben, künftige Richter werden vielmehr von einem Hundeverein eingeladen, als Richter tätig zu werden. Diese Rassezuchtvereine haben Listen möglicher Richter auf verschiedenen Ebenen, die niedrigste Liste enthält Namen von Kennern, die sich als erfolgreiche Züchter auszeichnen, von denen man annimmt, daß sie bereit sind, auf einer kleinen Ausstellung zu richten.
Möglicherweise erolgt dann nach fünf Jahren des Richtens auf dieser Ebene eine Einladung für eine Championshipausstellung. Hierzu bedarf es zunächst der Erlaubnis des Kennel Clubs, Chal-lenge Certificates zu vergeben, deshalb muß der eingeladene Richter einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen und vorlegen. Dieser wird sorgfältig von dem Kennel Club Judges Committee studiert, es werden auch die Meinungen der wichtigen Rassezuchtvereine eingeholt. Wenn alles in Ordnung geht, bestätigt der Kennel Club die ausgesprochene Einladung, aber nur diese. Es steht ihm auch völlig frei, ohne Angabe von Gründen die Zustimmung zu verweigern. Da in England die Richter immer nur für eine Ausstellung Genehmigung erhalten, bedarf es der gleichen Prozedur bei jeder zusätzlichen Rasse, die ein Richter richten möchte. Dieser langsame Prozeß erklärt deutlich, warum es im Jahr 1995 im United Kingdom nur eine einzige Persönlichkeit gab, der das Richten aller Hunderassen gestattet war.
In der Vergangenheit, also vor etwa 20 oder 30 Jahren, kamen die Richter aus den Kreisen der erfolgreichen Züchter und Hundevorführer. Die Ausstellungsleitungen luden sie ein, weil man ihre Erfahrung schätzte. Diese Persönlichkeiten mußten nicht sofort den gleichen Grad eigener Erfahrung nachweisen wie die heutigen Richter in England.
Große Richter
Gerade die ältere Generation der Allround-Rich-ter, die Hunde und alle Arten von Haustieren richteten, besaßen in ihren Reihen besonders interessante »Charaktere«. Darunter gab es sicherlich auch einige, deren Ruf die Vermutung nahe legt, daß sie für die heutigen Hundedachverbände kaum akzeptabel wären. Es gibt Geschichten über einige Richter, die Zigarren rauchend Hunde im Ring vorführten. Es ist auch wahr, daß Countess Howe einmal sogar aus dem Rollstuhl Labrador richtete, ihre Sieger durch Zeigen mit ihrem Gehstock auswählte. Noch in jüngerer Zeit traf man auf Allrounder wie Joe Braddon und Bill Siggers. Beide Persönlichkeiten besaßen eine Art sarkastischen Humor, der möglicherweise heutzutage nicht allen zusagen würde. Kein Zweifel besteht aber, daß ihr Wissen über alle Hunderassen umfassend war, sie das richtige Auge besaßen, einen großartigen Hund auch bereits als Junghund herauszustellen.
Die Reihe der britischen Allrounder wurde in den letzten paar Jahren traurigerweise immer kleiner. R.M. »Bobby« James erreichte weltweit Anerkennung für sein außergewöhnliches Auge, seine wunderbar verständlichen Richterberichte; Lily Turner hatte rabenschwarzes Haar, ein ständiges wohlwollendes Lächeln im Gesicht; Stanley Dan-gerfield verfügte über eine Figur wie ein Ladestock, besaß berühmte pastellfarbene Jackets; Herbert Essam trug immer eine Plastikorchidee und dazu passenden Schlips, noch lange, ehe dies modisch wurde; Catherine Sutton war in allem, was sie unternahm, von höchstem Wissen; Joe Cart-ledge verfügte immer über ein freundliches Wort für Neulinge und junge Hundefreunde; der strenge Gesichtsausdruck von Reg Gadsden verbarg die freundliche Seele, die sich dahinter versteckte; die allseits geliebte Allrounderin Judy DeCassem-
broot war immer sicher, daß sie das Richtige tat. Alle diese großen Persönlichkeiten und viele mehr verschwanden aus der englischen Hundeszene, sind kaum zu ersetzen.
Andere Richter wie die international hoch angesehene Gwen Broadley haben sich in voller körperlicher Frische zurückgezogen. Ihr Verlust wird schmerzlich empfunden, obgleich sie wie immer als ehrgeizige und erfolgreiche Labradorzüchterin weiter mit von der Partie ist. Möglicherweise ist es Skandinavien überlassen geblieben, populäre Allroundrichter hervorzubringen, die großes Wissen mit einer lebhaften Persönlichkeit vereinen. Wir denken als besonders gute Beispiele an Hans Lehtinen aus Finnland und an Öle Staunskjaer in Dänemark.
Der beliebteste, respektiertetste und angesehenste Richter in den Vereinigten Staaten war Alva Rosenberg, ein ruhiger Mann von wunderbarem Charakter. Er besaß für jeden Hund eine ruhige Hand, ein unglaublich gutes Gedächtnis über Hunde, die er einmal gerichtet und herausgestellt hatte. Sein Name wurde mit Qualität und Typ gleichgesetzt, Ziel aller Züchter war es, Hunde zu züchten, die Alva gefallen sollten. Ein anderer Richter, durch und durch Hundemann, war der Engländer Percy Roberts, der sich in den USA ansiedelte. Er wurde ein sehr berühmter Hundevorführer, importierte für seine amerikanischen Kunden gute Hunde, gewann auf der Westminster Show viermal Best in. Show – ein Rekord! In seinem Ring herrschte völlige Ordnung. Wenn er die Hunde plaziert hatte, wußte jeder einzelne ganz genau, wo er stand und – warum er auf diesen Platz gekommen war.
Einige große Hundeverbände mögen danach streben, eine neue Generation von Richtern zu schaffen, die auf vielerlei Art geklont wirken. Dennoch bleibt die Hoffnung, daß es auch weiter einzelnen Persönlichkeiten erlaubt sein wird, sich zu entfalten, vorausgesetzt sie verfügen über das Wissen, die Integrität und die Hingabe, die nun einmal die Aufgabe eines Richters verlangt.
Ch. Cartref Canyon, vorgestellt von Anne Rogers Clark, 1952 auf der Morris and Essex Kennel Club Show, wo. dieser English Cocker Spaniel Best of Breed wurde.
Ausstellungs Perspektiven
Um den Unterschied aufzuzeigen der einen guten Führer ausmacht, hier zwei Bilder des gleichen English Cocker Spaniel, der 1952 ein Spitzenge¬winner war. Auf dem linken Foto ist der Hund so aufgestellt, um alle seine Vorzüge zu zeigen. Er gewann auf der weltberühmten Morris und Essex Kennel Club Dog Show in den USA Best of Breed unter dem Rassespezialisten Raymond Beale. Das rechte Foto zeigt den gleichen Hund zehn Minuten später, vorgestellt von seinem Züchter und Besitzer Harry Anyon. Anyon hat dieses Foto gemacht, weil er meinte, das erste Foto zeige einen englischen Cocker nicht so wie er es als korrekt findet. Man sieht auf beiden Fotos den gleichen Hund, aber völlig verschieden präsentiert.
Das amerikanische System
In den USA kann man sich als Richter bewerben, danach folgt eine Ausbildung durch erfahrene Richter auf praktischer Grundlage. Der amerikanische Kennel Club muß Spezialrichter für einzelne Rassen anerkennen, gestattet zuweilen erfahrenen Richtern mehr als eine Rasse gleichzeitig zu richten. Häufig handelt es sich dabei um eine Untergruppe ähnlicher Rassen, für die der Richter gleichzeitig zugelassen wird. Auf diese Art werden Züchter, Richter und künftige Hundevorführer praktisch geschult. Bei einer solchen Ausbildung zählen eigene Geschicklichkeit, Einfallsreichtum, gute Manieren und persönliche Fähigkeiten, nicht Anatomie und Qualitäten der eigenen Hunde.
Zum Vorteil aller verfeinert der AKC laufend das Richten im Ausstellungsring. James Edward Clark war der erste in den Vereinigten Staaten, der über eine bestimmte Hunderasse ein Seminar veranstaltete, um dazu beizutragen, Züchter und künftige Richter zu erziehen. Dieses Seminar wurde in Pittsburgh, Pennsylvania Anfang der 1960er Jahre abgehalten, es erwies sich als großes Lernerlebnis. Das Prinzip solcher Unterrichtsseminare wird fortgesetzt. Heutzutage werden in den Vereinigten Staaten viele Seminare über einzelne Hunderassen durchgeführt.
Der American Kennel Club hat damit begonnen, jährlich zwei AKC Judges Institutes abzuhalten. Diese Veranstaltungen sind außerordentlich populär, gehen jeweils über eine Woche. Alle Aspekte des Richtens werden geprüft, darunter wie man das Geschehen im Ring organisiert, Interpretation und Verstehen des Standards, allgemeine Regeln und Bestimmungen, Abfassen von schriftlichen und mündlichen Richterberichten, Beurteilung einer Klasse, Wiegen und Messen eines Hundes, richtiges Anfassen des Hundes beim Richten, alles Themen, die jeder Richter beherrschen muß. Dabei lernen häufig die Lehrer ebensoviel wie ihre Schüler. In den USA kann man sich als Richter für eine bestimmte Rasse bewerben, wenn man diese zumindest über zehn Jahre gezüchtet hat, wenigstens vier Würfe, in denen zumindest zwei Champions waren. Der Bewerber muß auch auf sechs Sanction Match Shows oder Sweepstake Classes die Rasse gerichtet, auf mindestens fünf AKC-Ausstellungen als Ringsteward gearbeitet haben. Alle diese Züchter müssen einen detaillierten und langen Fragebogen ausfüllen. Wird diese Bewerbung von dem Board of Di-rectors des AKC gebilligt, muß sich der Bewerber in der fraglichen Rasse einer schriftlichen Prüfung unterziehen. Nach dieser Prüfung erfolgt mit dem Bewerber ein Interview durch einen Vertreter des AKC. In diesem Interview kann der Bewerber sein Wissen über die Rasse und seine Fähigkeiten als Richter unter Beweis stellen. Alle Ergebnisse werden dem Board of Directors unterbreitet. Sind die Ergebnisse positiv, wird dem Bewerber der Status eines vorläufigen Richters gewährt.
Ein solch vorläufiger Richter muß warten, bis er die Einladung eines Clubs zum Richten erhält. Fünfmal muß er bei solchen Richtertätigkeiten unter Beobachtung eines AKC-Repräsentanten stehen. Verläuft alles gut, wird dem Board ein entsprechender Bericht zur Genehmigung vorgelegt. Dieses Verfahren dauert etwa sechs Monate.
Hat man erst einmal eine Anzahl von Ausstellungen gerichtet, kann man sich auch als Richter für eine andere Rasse bewerben. Bewerber, die in einem anderen Land bereits Richter waren, in den USA leben, können bereits bei ihrer ersten Bewerbung sich für mehr als eine Rasse oder eine Gruppe anmelden. Das wachsende Interesse an Rassehunden und die Meldezahlen auf US-Ausstellungen bringen es mit sich, daß eine wachsende Anzahl von Richtern erforderlich wird, um die vielen alljährlichen Hundeausstellungen zu betreuen. Deshalb ist der AKC laufend bemüht, auf dem günstigsten Weg das Talent zu entdecken und zu honorieren, das nun einmal für erstklassiges Richten notwendig ist.
Das kanadische System
In Kanada muß ein Richterkandidat zumindest einen Champion selbst gezüchtet haben, der sein Championat innerhalb der letzten zehn Jahre errang, zusätzlich einen zweiten, der zu irgendeinem Zeitpunkt Champion wurde. Die Bewerber müssen auch zumindest vier Würfe gezüchtet haben, Mitglied des Canadian Kennel Clubs sein. Zu den weiteren Anforderungen gehören zumindest 30 Stunden Arbeit als Ringsteward, in jeder Saison mindestens drei Stunden. Bewerber müssen auch zumindest innerhalb der letzten fünf Jahre auf fünf vom CKC anerkannten Matches gerichtet haben. Die Bewerber müssen alle Einzelheiten ihres Wissens über Hunde angeben, bei der Bewerbung ein schriftliches Examen ablegen. Die Ergebnisse werden an das Committee zur Bewertung eingereicht. Bei positiver Entscheidung darf der Bewerber eine Richterverpflichtung übernehmen, bei der er beobachtet wird. Nach dieser Hürde können bei den zugelassenen Rassen jede Anzahl von Verpflichtungen übernommen werden, bei drei Gelegenheiten erfolgt eine Beobachtung. Gibt es keine negativen Kommentare durch die überwachenden Richter, kommt der Bewerber auf die Liste der anerkannten Richter. Für die Wiederaufnahme auf diese Liste bedarf es jährlicher Antragstellung.
FCI Richter
Die in der FCI zusammengeschlossenen Länder legen im allgemeinen größten Wert auf gründliches Studium und Prüfungen, praktisch wie theoretisch. Häufig müssen Intensivkurse besucht werden, die gewährleisten, daß die Richterkandidaten in der hundlichen Grundanatomie recht versiert sind, noch ehe sie sich mit einem detaillierten Studium der Rassemerkmale und Typen befassen. Ein Lehrrichtersystem wurde aufgebaut, wobei die Richterkandidaten die Gelegenheit haben, Hunde zu beurteilen, Richterberichte zu schreiben, die gleichzeitig von einem erfahrenen Richter bewertet werden. Am Ende des Tages werden die Auffassungen der Richteranwärter geprüft, mit denen des amtierenden Richters verglichen, der dann beurteilt, ob der Anwärter schon bereits über genügend Wissen verfügt, diese Rasse zu beurteilen.
Bei der Beurteilung jeder Rasse basieren die Richter ihre Bewertung auf persönlichen Erfahrungen, die sie als Züchter und Aussteller gewonnen haben, dem dabei erreichten eigenen Qualitätsstandard und ihrem Wissen über den Rassestandard. Während aber dieser Standard ein Bild der Perfektion aufzeigt, ist die Auffassung jedes Richters über Qualität sehr stark von seinem eigenen Wissen und seinen Erfahrungen gefärbt.
Um ein Beispiel zu geben: Ist ein Richter selbst Züchter von Boxern, hat in seinen eigenen Blutlinien gerade größere Probleme mit hellen Augen, ist er durch eigenen Erfahrungen über die Schwierigkeiten, einen solchen Fehler wieder herauszuzüchten, strenger als Richter, die noch nie solche Probleme hatten.
Die erste Ausstellung
Den eigenen Hund gegen andere Hunde der gleichen Rasse in Wettbewerb zu stellen, dies ist immer der logische Anfang. Dabei gibt es in angel sächsischen Ländern im Ausstellungssystem eine Art Handikapsystem, wonach in den ersten Klassen nur Hunde in bestimmtem Alter zugelassen sind, bereits erzielte Ausstellungserfolge schlies-sen aus diesen Klassen aus, während im kontinentalen FCI-System die Klassenaufteilung vorwiegend auf das Alter der Hunde ausgerichtet ist.
Wichtig ist immer, daß der Neuling sich darüber von Anfang an im klaren ist, daß aller Wahrscheinlichkeit nach sein Hund kein Champion sein wird. Viele Besitzer von Liebhaberhunden wurden von Freunden geradezu zum Ausstellen überredet, man versicherte ihnen, ihr Hund sei ein sicherer Sieger. Solche Ratschläge anzunehmen, ist nicht immer klug. Wurde der Hund als Familienhund gekauft, hat er häufig kleine anatomische Mängel, die seiner Allgemeinerscheinung und seiner Tauglichkeit als vielgeliebter Familienhund in keiner Weise im Wege stehen, aber diese kleinen Fehler könnten sich durchaus im Ausstellungsring als Handikap erweisen.
besten fragt man den Züchter, ob der Welpe später ein gewisses Ausstellungspotential haben wird. Ist Dein Hund dann nicht deutlich über der Durchschnittsqualität der Rasse, macht es wenig Sinn, eine Ausstellungskarriere anzustreben. Viel besser sieht man in diesem Hund seinen geliebten Familienhund. Interessiert man sich trotzdem für Ausstellungen, sollte man hier als Zuschauer gewisse Erfahrungen machen, sich dann einen Hund kaufen, der echte Siegeschancen hat.
Während das Ausstellen zu einem wirklich fesselnden und angenehmen Hobby werden kann, ist es nicht besonders klug, mit einem zweitklassigen Tier für Ausstellungswettbewerbe Geld auszugeben. Der entscheidende Faktor für einen erfolgreichen Ausstellungshund ist der korrekte Rassetyp. Der Hund muß genau wie seine Rasse aussehen, er muß den Ring betreten und rufen: »Ich bin ein Boxer!« oder »Ich bin ein Pudel!« Daß man auf den ersten Blick einen bestimmten Rassetyp erkennt, hängt ebenso stark von den anatomischen Anforderungen des Rassestandards ab wie von Temperament und der Haltung des Einzeltieres. Weitere wichtige Voraussetzungen sind ein gesunder Körper und gutes Wesen, Kondition und richtiges Vorführen.
Handling im Ring
England und Europa bleibt weitgehend die dem begeisterten Amateur überlassene Provinz des Hundeausstellens. Die meisten Züchter präsentieren im Ring ihre eigenen Hunde, haben viel Freude daran. Es gibt ganz wenige Professional Handlers, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, Hunde anderer Leute auf der Ausstellung zu präsentieren. Unübersehbar trifft man heute auch auf solche Experten in Europa häufiger. In den USA und in gewissem Umfang auch in Kanada bedarf es zum erfolgreichen Ausstellen eines Hundes der Überwindung riesiger Entfernungen. Dies ist die Geschäftsgrundlage der Professional Handler. Meist werden Hunde über mehrere Monate, zuweilen sogar Jahre, bei einem solchen Vorführer in Pension gegeben, der mit ihnen dann die ganzen Ausstellungen bereist, die Hunde dort präsentiert. Natürlich haben Professional Handler gegenüber Anfängern gewisse Vorteile. Jahrelange Erfahrung hat sie gelehrt, wie man gerade das Fell bestimmter Rassen am besten zurecht macht, wie man dabei Fehler verbirgt, Vorzüge herausstellt, was man am besten tut, damit in einer bestimmten Gangart der Hund den optimalen Eindruck macht. Aber wenige Professional Handler haben die Zeit, um die enge Verbindung aufzubauen, wie dies Amateurzüchter und Aussteller vermögen. Die Tatsache, daß Amateure mit ihren Ausstellungshunden 24 Stunden am Tag zusammenleben, bringt es mit sich, daß sie die Persönlichkeit ihrer Hunde sehr viel genauer kennen, wissen, worauf es bei ihnen im bestimmten Augenblick ankommt. Wenn ein Hundebesitzer seinen eigenen Hund ausstellt, sollte er sich über seine eigenen Chancen klar sein. Es ist wirklich wichtig, immer Realist zu bleiben, genügend Kenntnisse über die Rasse zu haben, um selbst zu sehen, in welchen Bereichen der Hund Fehler hat, wo seine Vorzüge liegen. Ein Hundebesitzer muß auch so aufgeschlossen sein, daß er Vorzüge und Fehler der im Wettbe werb stehenden Hunde erkennt. Hundeausstellen als gesellschaftliches Ereignis mag Freude machen, aber nur wenige Hundefreunde kommen damit zurecht, wenn sie immer wieder verlieren. Wenn sie ehrlich sind, wollen alle gewinnen. Aus diesem Grund ist es wichtig, mit dem besten Hund in den Ring zu gehen und zu versuchen, dieses Ziel zu erreichen.
Vorbereitung des Hundes
Jeder Ausstellungshund, so vorzüglich er im Sinne des Rassestandards sein mag, muß vorteilhaft präsentiert werden. Er sollte in Spitzenkondition sein, was ein laufendes Programm richtiger Fütterung, Pflege und Auslauf voraussetzt, gut zurecht gemacht (was man nicht erst am Tag vor der Ausstellung erreicht) und vorzüglich vorgestellt.
Allen Ausstellungshunden muß man beibringen, daß der ihnen fremde Richter auch ihre intimeren Körperteile berühren darf. Sie müssen sich auf Anforderung in optimaler Gangart bewegen, in der Lage sein, über längere Zeit die traditionelle Ausstellungspose der Rasse einzunehmen. Um dies zu erreichen, bedarf es vor der Ausstellung vieler Vorbereitungen. Nur wenigen Anfängern gelingt es, ohne Hilfe erfahrener Fachleute beim Ausstellen Erfolg zu haben.
Hundeausstellungen in aller Welt
Das Richten einzelner Hunderassen erfolgt in vielen Ländern wie England, USA, Australien und Kanada in einzelnen Klassen. Dabei werden die Hunde gleichzeitig gegenüber ihrem Rassestandard wie auch gegenüber ihren Wettbewerbern beurteilt. Bei zehn Hunden zum Beispiel, die in der gleichen Klasse antreten, plaziert der Richter die siegenden Hunde in Rangordnung Erster, Zweiter, Dritter, Reserve. Aus den Siegern der einzelnen Klassen ergibt sich dann im weiteren Wettbewerb bester Rüde und beste Hündin, danach Best of Breed.
In den meisten Mitgliedsländern der FCI ist der Wettbewerb umfangreicher, findet grundsätzlich auf zwei verschiedenen Ebenen statt. Zunächst werden die Hunde alleine gegen den Rassestandard beurteilt. Jeder Hund erhält einen schriftlichen, detaillierten Richterbericht und eine Qualitätsnote. Die Wertnoten lauten Vorzüglich (V), Sehr Gut (SG), Gut (G), Genügend (Ggd), Nicht genügend (Nggd). Haben die einzelnen Hunde ihre Wertnote, werden noch mal alle Hunde, die als Erster oder Zweiter plaziert, mit Wertnote Vorzüglich bewertet wurden, angesehen. Unter diesen Hunden werden dann die Siegeranwartschaften je nach Ausstellungsreglement erteilt, unterschiedlich für internationaler Champion und nationaler Champion. Schon auf den ersten Blick sieht man, daß dieses Richtsystem von Richtern, Ringhelfern, Hundezuchtvereinen und Ausstellungsleitungen wesentlich mehr Arbeit verlangt, aber es besitzt große Vorzüge. Vor allem erhält jeder Aussteller den schriftlichen Richterbericht.
In England und in den USA ist dies nicht der Fall, bleibt es immer eine Frage der Spekulation, warum ein Richter den einen oder anderen Hund nicht plaziert hat, der beispielsweise unter dem kontinentalen Wertnotensystem problemlos die Wertnote Vorzüglich erreicht hätte. Besonders wichtig ist auch, daß dem Hundebesitzer im Richterbericht Vorzüge wie Fehler seines Hundes detailliert aufgezeigt werden. Dies ist auch erzieherisch wertvoll, denn der Richterbericht fordert vom Richter Präzision und Wissen. Besonders ein neuer Aussteller lernt hierdurch schnell, Vorzüge und Gesamteindruck seines Hundes zu erkennen. Da beispielsweise gerade in Skandinavien diese Richterberichte das Wichtigste an den Ausstellungen wurden, haben sie sehr zu den schnellen Fortschritten beigetragen, welche in diesen Ländern sowohl in der Zucht wie beim Richten erzielt wurden.
In allen Ländern gewinnt man Championtitel nur im Wettbewerb gegenüber Hunden der gleichen Klasse, durch Zertifikate oder ein Punktsystem. Nur in den USA werden abschließende zusätzliche Punkte durch Erfolge im Gruppenwettbewerb erreicht. Beim Richten einer Rasse ergibt sich zwingend, daß es die wichtigste Aufgabe des Richters ist, das beste Exemplar der Rasse herauszustellen, aufgrund seiner Vorzüge und des korrekten Typs, seiner körperlichen und charakterlichen Gesundheit, immer nur abgewogen gegenüber dem Rassestandard.
Es ist wichtig, daß Richter und Hundefreunde sich bewußt werden, daß verschiedene Rassen unterschiedliches Temperament haben. Bei einigen Rassen kann das rassetypische Wesen durchaus von dem abweichen, was man im allgemeinen als »ideales Ausstellungswesen« sieht. Ein extro-vertierter Charakter mit unermüdlichem Show-manship mag sowohl für den Richter wie auch die Zuschauer außerordentlich ins Auge stechen. Immer muß es aber die wichtigste Überlegung sein, ob das Wesen, das dieser Hund aufzeigt, für seine Rasse typisch ist.
Ist ein Hund Rassenbester geworden, konkurriert er anschließend in der entsprechenden Gruppe mit anderen Best of BreeJ-Gewinnern der gleichen Rassegruppe. Das Gruppenrichten ist seiner Natur nach sehr viel weniger eindeutig als das Richten der Hunde nach einem gemeinsamen Rassestandard. Die hier anzustellenden Vergleiche erfolgen nicht direkt. Anders ausgedrückt, der rassebeste Beagle wurde im Vergleich zum Beagle-Rassestandard ermittelt, der rassebeste Whippet wurde nach dem Whippet-Standard ausgewählt. Der Hund, der seinem Rasseideal am nächsten kommt, sollte – theoretisch gesehen – gewinnen.
Beim Richten einer Einzelrasse vergleicht der Richter alle Hunde auf Basis des gleichen Rassestandards. Beim Gruppenrichten jedoch ist es nicht möglich, gleiches mit gleichem zu vergleichen. Jeder Hund wird erneut gegenüber seinem eigenen Rassestandard gewertet, dann mit den anderen in Wettbewerb stehenden Rassen. Das Richterurteil basiert auf der Frage, welcher Hund seinem eigenen Rassestandard am allernächsten kommt.
Sind dann die Gruppengewinner festgelegt, kämpfen sie alle um den Titel Best in Show – und wiederum handelt es sich hier eben um eine Konkurrenz unterschiedlicher Rassen gegeneinander. Es ist eine traurige Tatsache, möglicherweise auch ein bedauernswerter Spiegel des Wissens einiger Richter, daß bestimmte Hunderassen in al ler Regel gegenüber anderen klare Vorteile haben. Dies liegt einfach daran, daß man sie für »bessere Gruppenhunde« hält, anders ausgedrückt, diese Hunde verfügen über mehr Showiness oder Gla-mor als andere. Im Grundsatz sollte jede Rasse in der Lage sein, Spitzenwettbewerbe zu gewinnen, vorausgesetzt, der Vertreter steht seinem eigenen Rassestandard näher als alle seine Wettbewerber.
Spezial Wettbewerbe
Zur Förderung der Leistungsfähigkeit von Rassehunden hat der American Kennel Club für Jagdhunde, Arbeitshunde, Hütehunde und Terrier eigene Prüfungen gesponsert: Jagdhundeprüfungen, Herdenhundprüfungen, Schutzhundeprüfungen, Agilitytests. Für alle die Hunde, welche diese Prüfungen und Tests bestanden haben, wurde der Beweis erbracht, daß diese wunderschönen Jagdoder Arbeitsrassen nicht nur anatomisch und wesensmäßig unverändert für ihre Arbeit gezüchtet sind, sondern auch tatsächlich diese Arbeiten bis zum heutigen Tage ausführen können.
Die AKC-Veranstaltungen umfassen Prüfungen wie Beagle Trials, Coursing für Windhunde, Jagdprüfungen für Terrier und Dachshunde, alle Arten von Unterordnungswettbewerben, Arbeitsprüfungen für Retriever und Hüteveranstaltungen für Hütehunderassen. Agilityprüfungen werden heute besonders stark gefördert, sie locken alle Rassen an. Viele Jagdhunderassen wie Deutsch Kurzhaar, Brittany Spaniel und Viszla haben Dual Champions, die sich bei der Jagd wie im Ausstellungsring ihr Championat geholt haben. Der kanadische Kennel Club und der englische Kennel Club veranstalten gleichzeitig Arbeitsprüfungen für Jagd- und Arbeitshunderassen. So sponsert der Kennel Club Working, Field, Agility, Bloodhound und Obedience Trials. Nach dem Reglement müssen Jagdhunde und Border Collies in England drei Championatsanwartschaften (CC) gewinnen, um Show Champion zu werden, dazu kommt noch eine Arbeitsprüfung, erst dann ist der Hund ein Füll Champion.
In den meisten europäischen und skandinavischen Ländern gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts Leistungsprüfungen für Jagdhunde und Gebrauchshunde. In allen FCI-Ländern werden diese von den nationalen Clubs durchgeführt. Die Einzelclubs bilden eigene Richter für die verschiedenen rassetypischen Prüfungen und Tests aus. In vielen FCI-Ländern ist es üblich, für die Qualifikation zum Ausstellungschampion bei den Jagd-und Gebrauchshunderassen eine zusätzliche Arbeitsprüfung zu verlangen. Für den Titel eines Leistungschampions werden zuweilen auch bestimmte Ausstellungsqualifikationen verlangt.
International gesehen trifft man auf Richter, die sowohl Schönheits- wie Leistungsveranstaltungen richten, andere sind nur für LeistungsVeranstaltungen zugelassen. Leistungsprüfungen und Tests werden einzig und allein nach der Vorstellung des Hundes auf der Prüfung bewertet, seine Anatomie spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Allerdings sollte im Idealfall der Hund mit der besten Anatomie auch die meiste Ausdauer und Leistungsfähigkeit besitzen, um seine Arbeit gut auszuüben. Bei Leistungsveranstaltungen achten die Richter auf besonders gute Nasenveranlagung, Wesen und Intelligenz, diese entscheiden die Prüfungen.
Kleinere Ausstellungen
Champions gewinnen ihre Titel nur auf Championatsausstellungen. Es gibt aber in verschiedenen Ländern Ausstellungen auf einer weniger anspruchsvollen Basis, welche von den Hundefreunden genutzt werden, um zunächst einmal eigene Erfahrungen zu gewinnen, wenn es für ihre Hunde noch nicht gerade ratsam erscheint, bereits auf höchstem Qualitätsniveau in den Wettbewerb einzutreten. Solche Ausstellungen gibt es in mannigfaltigen Formen. Einige sind einfach verkleinerte Ausgaben der Championatsausstellungen, andere sind sehr viel weniger formal. Manchmal kann man seinen Hund auch am Ausstellungstag anmelden, dies gilt beispielsweise für die englische Exemption Show. Es gibt Ausstellungen, die in ihrem Erlös rein wohltätigem Zweck zugute kommen, beispielsweise mit Dorffesten oder einer Landwirtschaftsausstellung verbunden sind.
Neben den Rassehunden gibt es auch zusätzliche Klassen, in denen man Titel wie »Hund mit der fröhlichsten Rute« oder »Hund, der seinem Besitzer am meisten ähnelt« gewinnen kann. Häufig findet man auch Mischlinge in der Konkurrenz solcher Klassen. Mancher erfahrene Aussteller betrachtet solche Veranstaltungen leicht als unter seiner Würde, aber sie bilden hervorragende Ausbildungsmöglichkeiten gerade für Junghunde, ehe deren Karriere ernsthaft beginnt.
Ganz gleich, bei welcher Ausstellung man mit seinem Hund antritt, immer ist es wichtig, das Ganze in richtigen Proportionen zu sehen. Eine Perle der Weisheit rät: »Es gibt immer wieder eine andere Ausstellung und auch immer wieder einen anderen Richter.« Noch viel wichtiger: »Der Hund, den Du am Abend mit nach Hause nimmst, ist genau der gleiche, mit dem Du am Morgen zur Ausstellung gekommen bist.«
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