Die Rassestandards
Als erstes behandeln wir hier die Grundprinzipien des Wettbewerbs innerhalb einer Rasse. Jede Hunderasse brauchte vor ihrer Anerkennung durch die nationale Hundezuchtorganisation einen Rassestandard, in dem das Bild eines perfekten Hundes aufgezeichnet ist. In jedem Rassestandard werden die anatomischen wie charakterlichen Anforderungen an die Rasse detailliert dargestellt. Dabei sind die Erläuterungen jeder einzelnen Anforderung an ein perfektes Tier bei allen Rassen auf die Leistung und Aufgaben abgestimmt, wie sie von Anfang an gefordert wurden, weniger auf vorübergehende Modetrends. Die einzelnen Rassestandards erhält man von den nationalen Hundezuchtorganisationen, sie wurden in der Regel in den Büchern über Einzelrassen wörtlich übernommen.
Im Grundsatz ist der Rassestandard auf die Einzelbeschreibung folgender Merkmale abgestimmt: Allgemeine Erscheinung, charakteristische Merkmale, Wesen, Kopf und Schädel, Augen, Ohren, Fang, Hals, Vorderhand, Körper, Hinterhand, Pfoten, Rute, Bewegung/Gangwerk, Haar, Farbe, Größe und Fehler. In jüngeren Jahren wurde aus englischen Rassestandards die Aufzählung von Einzelfehlern herausgenommen, in einigen europäischen und amerikanischen Standards findet man immer noch eine Auflistung von disqualifizierenden Fehlern.
Über die Jahre wurden die Rassestandards überarbeitet, einander im Aufbau angeglichen oder einfach abgeändert, weil die internationalen Hundezuchtorganisationen versuchten, eine gewisse Einheitlichkeit zu erreichen. Auch in Rassezuchtvereinen, die ja meist von den Züchtern bestimmt sind, wurden Änderungswünsche erhoben, entstand zuweilen auch einiger Druck auf modische Änderungen. Die Vereinheitlichung auch der Sprache in den Standards hat gewisse Veränderungen gebracht.
Anne Rogers Clark war die Vorführerin von Ch. Karlena!s Musical Rattler, dem Coonhound, der auf der Westminster Show am 8. und 9. Februar 1960 in New York Best of Breed wurde.
Für den Hunderichter ist der Rassestandard das wichtigste Werkzeug. Ein Richter braucht ein gutes Auge für Qualität und Ausgewogenheit, ebenso wichtig ist Integrität und Charakterstärke. Hinzu tritt der Rassestandard, und damit hat er die Grundlage für alle Plazierungen der ihm vorgestellten Hunde. Glücklicherweise für die Hundeaussteller erlauben die Rassestandards dem Richter eine gewisse Freiheit der persönlichen Interpretation. Früher waren viele Originalstandards in der Art aufgebaut, daß zu einzelnen Merkmalen des Hundes ein bestimmter Prozentsatz einer Gesamtpunktzahl von 100 zugeschrieben wurde, was sich als viel zu formal erwies. Die heutige Form der Rassestandards ist hier sehr viel weniger starr, ermutigt den Richter, den ganzen Hund zu bewerten, ihn weniger in seine Einzelteile aufzugliedern.
Natürlich sind alle Rassestandards darum bemüht, ein Wortbild der Perfektion jeder Hunderasse aufzustellen. Leider ist dies alles sehr formell, insbesondere in den modernen, einheitlicheren Versionen. Einige Originalstandards erschienen häufig in ihrer Sprache recht blumig, dabei darf man aber nicht übersehen, daß bestimmte Ausdrücke gerade deshalb gewählt wurden, um die Nuancen sehr genau zu beschreiben. Beispielsweise wurden die Anforderungen an den Kopf eines Pekingesen von »groß« in »massiv« abgewandelt, dabei wurde aber das Gefühl für wirkliche Größe verloren. Da die neu formulierten Rassestandards von Generation zu Generation weitergereicht werden, besteht durchaus die Gefahr, daß wichtige Rassemerkmale auf diesem Wege verlorengehen.
DAS RICHTEN DES AMERICAN COCKER SPANIEL
Der Standard des American Cocker Spaniel ist ausgerichtet auf seine Arbeitsfähigkeit bei der Jagd. Einen ersten Eindruck gewinnt man von dem im Profil stehenden Hund, dabei werden Typ, Größe, Proportionen und Ausgewogenheit festgestellt. Danach betrachtet man das Profil in der Bewegung. Am schwierigsten ist immer, einen Hund mit kurzem Körper zu züchten, der sich dennoch flüssig bewegt.
Alle Einzelmerkmale des Hundes müssen mit dem Rassestandard verglichen werden. Eine Prüfung des Hundes auf dem Tisch kann nützlich sein, weil man dabei die Einzelheiten des anatomischen Aufbaus noch besser feststellen kann.
Wieder auf dem Boden zurück wird der Bewegungsablauf des Cockers beim Kommen wie Gehen genau festgestellt. Der Hund muß sich dabei aufrecht bewegen, kurzer Rücken mit gutem Vortritt und Schub, in gerader Linie muß der Boden mühelos überwunden werden. Im Idealfall wird der Cocker im schnellen Trab (kein Galopp) an ziemlich loser Leine vorgestellt.
Das rassetypische Tier ist immer frei von allen Übertreibungen. Richten ist immer ein Vergleich gegenüber dem Standard, muß jeden Fehler jedes Wettbewerbers erfassen. Der im Ring vorgestellte Cocker, so aufgebaut, daß er bei der Jagd erstklassige Arbeit leistet, auch im Wesen auf seine Arbeit ausgerichtet ist, wird dann auf den ersten Plätzen stehen, wenn sein Kopf, Haarkleid, Farbe und Größe in die vorgeschriebenen Limits paßt. Der Cocker muß immer die Fähigkeit und auch den Willen haben, seine jagdlichen Aufgaben zu erfüllen.
Die Auswahl des Siegers
Der Nachteil schriftlich niedergelegter Rassestandards liegt darin, daß sie keinen Hinweis enthalten über das in Worten schwer zu Fassende, was jeder Richter bei seinen Spitzengewinnern erwartet -Charisma, Spitzenqualität, Präsenz! Wenn es ein Hund hat, wird es auch erkannt, dies ist das, was einen Spitzenhund ausmacht. Es scheint, sie haben eine Art Aura. Für den seine Aufgabe ernstnehmenden Richter ist das Finden, ja auch das Sehen,
genau eines solchen Hundes eines der vollkommensten Vergnügen.
Zitieren wir Andrew Brace:» Die Erinnerung an einen wirklich herausragenden Hund verblaßt nie, und Hunde, ausgestattet mit dem Fluidum des Superhundes, gibt es nur sehr wenige. Der erste Hund, der auf mich einen solchen Eindruck machte, war der Bull Terrier Ch. Abraxas Audacity, er wurde auf Cruft’s 1972 Best in Show. Ich weiß noch genau, wie er den »Großen Ring« betrat, als wäre es gestern gewesen. Ein strahlendes weißes Tier, mit einer wirklich perfekt erscheinenden Muskulatur, bei dennoch absolut wie gemeißelt wirkenden äußeren Linien. Er trat auf den roten Teppich, schüttelte sich ein- oder zweimal, schaute seiner Nase enlang und stolzierte durch die ganze Länge der riesigen Arena mit wedelnder Rute, in seinen Augen erkannte man eine Spur von Mutwillen. Er war die genaue Verkörperung dieser großartigen Hunderasse, er bestach durch seine Kondition, jeder einzelne Schritt spiegelte seine große Persönlichkeit. Es war bestimmt keine Überraschung, als er schließlich auf dem großartigen ersten Platz stand!
Von den ganz großen Hunden, die ich je richten durfte, hat mich keiner mehr beeindruckt, als der großartige Lhasa Apso Ch. Saxonsprings Fres-no. Diese Hündin bestätigte wirklich den stolzen Satz, daß sie bereits zu ihren Lebzeiten eine Legende wurde. Ich hatte das Vergnügen, diese Hündin auf einer kleinen Ausstellung in Sheffield zu richten, damals war sie noch ein wenig mit ihrem Führer zusammenarbeitender Teenager. Aber vom ersten Augenblick an hatte sie den richtigen Blick, man erkannte sofort, daß sie etwas ganz besonderes war. Und als ich sie auf dem Tisch hatte, war es eine reine Freunde, sie abzutasten, einen perfekten Körper, bei dem alles paßte und ineinander überging. Trotz ihrer Eigenwilligkeit an diesem Tag machte ich sie zur Best in Show. Und nachdem sie bereits alle Rekorde gebrochen hatte, war es mir ein ganz besonderes Vergnügen, das Chal-lenge Certificate und Best of Breed auf der Ausstellung zu überreichen, auf der sie sich endgültig vom Ausstellungsgeschehen zurückzog.
Einige Richter kombinieren ihre Aktivitäten, stellen auch selbst auf Ausstellungen Hunde vor. Trotz all seiner Richterverpflichtungen führte Andrew Brace seinen Beagle Ch. Dialynne Toliver of Tragband in der Ausstellungssaison 1995 zum Championat.
Die Aufregung kann man fühlen, wirklich – und Du erinnerst Dich genau daran, wenn Du auf den nächsten ganz großen Hund triffst. Mein erstes richtiges Erlebnis hatte ich noch ehe ich Richterin war, als Berufshundeführerin im Ring stand. Einer meiner Kunden, der große Pudelliebhaber Cla-rence Dillon war nach England gefahren, kaufte von einem berühmten Zwinger eine sehr versprechende schwarze Zwergpudelhündin. Er brachte sie nach den Vereinigten Staaten zurück. Da er zu dieser Zeit aber keinen regelmäßigen Vorführer hatte, saß diese Hündin über mehrere Monate in einem hübschen Zwinger, während er sich alle Vorführer ansah, die für sie in Frage kamen. Zu dieser Zeit war ich noch recht jung, aber in meinem Beruf schon weit vorangekommen, so war ich sehr erfreut, als ich gebeten wurde, mir seine Hunde anzusehen. Die Hündin war buchstäblich mit Haar zugewachsen, sah aber sehr versprechend aus. So nahm ich sie nach Hause, um sie näher kennenzulernen. Nach mehreren Tagen des Badens, Bürstens, Scherens und Formens war sie die allerschönste junge Zwergpudelhündin, die je jemand – einschließlich mir selbst – zu Gesicht kam. Und sie stand vor ganz großen Erfolgen. Im Jahre 1959 gewannen wir gemeinsam die Westminster Show, noch heute lebt ihr Blut in all ihren Nachkommen weiter. Hierzu gehört auch die Siegerin der Non Sporting Group 1995 auf Westminster, die Hündin Dunwalke’s Ch. Fontclair Festoon.
Es gab noch sehr viel interessante Erlebnisse, dabei bereitete es immer neue Freude zu beobachten, wie Hunde ihr Schicksal im Ausstellungsring und als Zuchttiere krönten. Dies ist etwas, was einen an einem dunklen, verregneten Morgen munter aus dem Bett bringt, wenn man danach den ganzen Tag draußen im Freien unter bei weitem nicht gerade perfekten Konditionen richten muß. Der nächste Hund im Ring kann genau der sein, nach dem man immer Ausschau gehalten hat.« Völlig unabhängig, wie man einen Rassestandard liest, jedes Wort studiert, die Fähigkeit, echte Größe zu erkennen, ist eine Frage des Instinkts, wenn Du es so willst eine Gabe, die bei weitem nicht jedem geschenkt wurde.
Zu den Nachteilen schriftlich niederlegter Rassestandards gehört die Schwierigkeit, ganz bestimmte, kaum in Worten zu fassende Qualitäten festzulegen, die jeder Richter gerade bei den Spitzengewinnern sieht. Dieses Foto scheint das Charisma -die Starqualität – gerade des Fox Terriers auf der rechten Seite eingefangen zu haben.
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